Medizinische Trainingstherapie (MTT) und Atemphysiotherapie

Körperliches Training und Atemphysiotherapie sind bei Erkrankungen der Atmungsorgane eine unverzichtbare Komponente der Behandlung, insbesondere im Sinne einer Langzeittherapie. Bei COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) sind die nützlichen Wirkungen vielfach wissenschaftlich nachgewiesen worden. Jeder Betroffene sollte die Möglichkeit haben, diese wichtigen Maßnahmen für sich zu nutzen. Neben den Bemühungen um eine ständige Verbesserung der Methoden ist es erforderlich, den COPD- Kranken zu motivieren und geeignete Organisationsstrukturen zu schaffen, damit Betroffene diese Methoden kennen lernen, ausüben können und - insbesondere im Hinblick auf eine Langzeittherapie - auch Freude daran haben.

Warum-Wie-Wo sind die drei Schlüsselfragen zur erfolgreichen Umsetzung.

Warum sind nicht-medikamentöse Maßnahmen ein unverzichtbarer Therapiebaustein?

Die COPD wird heute nicht mehr als lokalisierte Erkrankung der Lunge aufgefasst, sondern sie geht einher mit entzündlichen Veränderungen und deren Auswirkungen in anderen Organsystemen, wie z.B. der gesamten Körpermuskulatur. Husten, Auswurf, Atemnot und Leistungsbeeinträchtigung sind die Hauptsymptome. Der Krankheitsverlauf ist gekennzeichnet durch eine Abwärtsspirale mit atemnotbedingter Inaktivität, zunehmender Dekonditionierung, Immobilität und Depression. Meiden von inhalativen Schadstoffen - besonders Zigarettenrauch - und eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie können zwar eine Besserung erzielen, unverzichtbar und manchmal sogar wirkungsvoller sind die nicht-medikamentösen Maßnahmen. Ein Eckpfeiler ist dabei das körperliche Training, denn allein dadurch können die krankhaften Veränderungen der Muskulatur gebessert werden. Bei bis zu 70% der COPD-Kranken besteht eine reduzierte Muskelmasse und -kraft. Der Querschnitt der Muskelfasern ist verkleinert und eine ungünstige Muskelfaserumverteilung ist eingetreten. Weiterhin ist die Gefäßversorgung verringert und die muskuläre Stoffwechselaktivität verschlechtert. Körperliches Training bewirkt eine Verbesserung der Muskulatur. Darüber hinaus wird eine depressive Stimmungslage positiv beeinflusst und die Atemnot vermindert.

Wie sollen körperliches Training und Atemphysiotherapie durchgeführt werden?

Körperliches Training Bei der Durchführung muss zum einen die Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit und zum anderen die krankhaft veränderte Funktion der Muskulatur berücksichtigt werden. Die optimale Gestaltung der individuellen Trainingspläne bei COPD-Kranken ist eine Herausforderung und bedarf Spezialwissen und Erfahrung. Als Trainingskomponenten spielen Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination eine Rolle. Dabei kommt es wieder auf drei Fragen an. Wie intensiv, wie lange und wie oft soll körperliches Training durchgeführt werden?

Training der Ausdauer

Günstige Ausdauersportarten für den COPD-Kranken sind Gehen, Walken, Laufen, Gehen mit Stockeinsatz und Fahrrad-, Laufband- und Handkurbelergometer.
Bei der ‚Dauermethode’ wird ca. 20 Minuten trainiert. Die Intensität soll 50-70% der im Belastungstest erreichten Spitzenleistung betragen. Da untrainierte COPD-Kranke auch im Leistungstest auf dem Fahrradergometer nur gering belastet werden können, bedeutet dies manchmal Trainingsintensitäten von nur 10- 25 Watt.
Bei der ‚Intervallmethode’ wechseln mehrere kurze Belastungen mit Erholungspausen. Dadurch kann mit höheren Intensitäten trainiert werden, ohne dass die Lunge verstärkt überbläht. Diese Methode ist also schonender als die Dauermethode und wird zunehmend eingesetzt.

Training der Kraft

Die schon beschriebenen muskulären Veränderungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Leistungsfähigkeit, der Atemnot und auch hinsichtlich der Sterblichkeit. Auch die Verrichtungen des täglichen Lebens sind wesentlich von der Kraftfähigkeit abhängig. Das Krafttraining der Muskulatur gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Neben der Beinmuskulatur, die bei der COPD besonders geschwächt ist, soll aber auch die Muskulatur der Arme und des Rumpfes trainiert werden. Eingesetzt werden dabei Übungen an Kraftmaschinen, mit Hanteln und Theraband. Auch hier ist wichtig, die Balance zwischen Überforderung und Effizienz zu finden. Bewährt hat sich die Methode des Kraft-Ausdauertrainings. Dabei werden ein bis drei Sätze mit 15-20 Wiederholungen an 8-10 Stationen durchgeführt, wobei der Einstieg schonend auf niedriger Schwelle erfolgen sollte.

Atemphysiotherapie

Obschon sie in der Praxis eine wichtige Rolle spielt, gibt es bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen über die Wirksamkeit von Atemphysiotherapie bei COPD. Bei folgenden Symptomen der COPD kann Atemphysiotherapie erfolgreich eingesetzt werden.

Sekretretention

Sekretretention kann die Erkrankung komplizieren und ist für viele Patienten ein belästigendes Symptom. In drei Schritten ist hierbei eine Verbesserung zu erzielen.

Sekretverflüssigung

Sekretverflüssigung kann erreicht werden mit allgemeiner körperlicher Aktivität, Feuchtinhalation und den Einsatz von sogenannten oszillierenden PEP-Geräten.

Sekretmobilisation

Sekretmobilisation kann mit verschiedenen Methoden erreicht werden. Gut geeignet ist eine in Belgien entwickelte Methode, die Autogene Drainage. Durch Tiefatemübungen, auch in Verbindung mit Lagerungen und Brustkorbbewegungen, wird zunächst Luft hinter das Sekret in den kleinen und mittleren Atemwegen gebracht. Mit kontrollierten Ausatemübungen wird der Schleim dann in die größeren zentralen Atemwege befördert.

Sekretelimination

Von dort kann dann die Sekretelimination durch kontrolliertes Husten, Räuspern oder Huffing erfolgen.

Husten kann viele Ursachen haben

Husten kann viele Ursachen haben und ist unbedingt abzuklären. Bleibt aber ein quälender, unproduktiver (ohne Auswurf) Reizhusten bestehen, so können hustenvermeidende Selbsthilfetechniken eingesetzt werden. Einfache Methoden wie der Einsatz von PEP-Atmung (PEP = positive expiratory pressure, gemeint ist also Ausatmung gegen einen Widerstand) mittels Taschentuch oder spezieller PEP-Maske oder die Verlangsamung der Luftströmung durch die leichte Einengung der Nasengänge mit den Fingern können helfen, Reizhustenanfälle zu unterbrechen

Atemnot in Ruhe oder bei Belastung hat verschiedene Ursachen:

Die Verengung der Atemwege durch Instabilität und Elastizitätsverlust der Lunge ist bei COPD eine der wichtigen krankhaften Strukturveränderungen. Dadurch wird die Ein- und Ausatmung behindert und die Atemarbeit steigt.

Die behinderte Ausatmung fördert die Überblähung der Lunge, besonders bei Belastung (dynamische Überblähung)

Oben erwähnter ‚PEP’ kann helfen, eine übermäßige dynamische Überblähung der Lunge zu verhindern. Zum Einsatz kommt dabei hauptsächlich die sog. ‘dosierte Lippenbremse’, bei der gegen die locker aufeinandergelegten Lippen ausgeatmet wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Ausatmung gegen ein Strohhalmstück. Beide Techniken können die Ausatmung sowohl in Ruhe als auch bei Belastung erleichtern und Atemnot mindern. In Untersuchungen wurde festgestellt, dass sich durch den Einsatz solcher Techniken auch die Sauerstoffsättigung des Blutes verbessert.

Ebenfalls zur Minderung von Atemnot kommen sog. ‚atemerleichternde Körperstellungen‘ (Kutschersitz, Torwarthaltung, Abstützen gegen eine Mauer) zum Einsatz. Das Abstützen der Arme ermöglicht einen besseren Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, während eine Oberkörpervorneige im Sitz die Zwerchfellfunktion verbessert.

Wo können nicht-medikamentöse Maßnahmen durchgeführt werden?

Die folgende Auflistung zeigt Versorgungsstrukturen in Deutschland, die Patienten mit Erkrankungen der Atmungsorgane die Möglichkeit bieten, diese Therapiebestandteile umzusetzen:

Frührehabilitation

Besteht bei schwerkranken Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt noch stationärer Behandlungsbedarf, so ist eine Frührehabilitation indiziert. Diese wird in einigen dafür spezialisierten Einrichtungen durchgeführt. Sind z.B. Patienten nach einer Langzeitbeatmung stark entkräftet, können sie dort langsam wieder Kraft und Ausdauer erlangen.

Atemphysiotherapie und gerätegestützte Krankengymnastik als Heilmittelverordnung

 Atemphysiotherapie kann im ambulanten Bereich als Heilmittel verordnet werden. Es ist wichtig, dass der/die Physiotherapeut/in eine ausreichende Qualifikation besitzt. Die ‚Arbeitsgemeinschaft Atemtherapie im Deutschen Verband für Physiotherapie-Zentralverband der Physiotherapeuten /Krankengymnasten (ZVK) e.V.’ leistet an dieser Stelle durch Empfehlungen und Seminare hervorragende Arbeit.
Mit Einführung der neuen Heilmittelrichtlinien vom 1.Juli 2004 sowie der Ergänzung des Heilmittelkataloges kann zusätzlich eine gerätegestützte Krankengymnastik, “KG-Geräte“, verordnet werden. Versicherte mit Veränderungen der Skelettmuskulatur, wie sie ja bei der COPD bestehen, haben nach § 32 Abs.1 SGB V darauf Anspruch. Der/die Physiotherapeuten/in muss eine entsprechende Fortbildung sowie ausreichende Räumlichkeiten und geeignete Trainingsgeräte nachweisen. Das Training wird im Rahmen paralleler Einzelbehandlungen von drei Teilnehmern unter Supervision des/der spezialisierten Physiotherapeuten/in durchgeführt. Pro Rezept ist die Anzahl der Behandlung auf sechs beschränkt. Folgeverordnungen sind jedoch möglich. 

Medizinische Rehabilitation

Die beste Möglichkeit, ein strukturiertes und intensives körperliches Training durchzuführen, ist während einer Rehabilitationsmaßnahme gegeben. Insbesondere kann in diesem Rahmen ein individueller Trainingsplan für den COPD-Kranken erarbeitet und eingeleitet werden, da sowohl ärztliche als auch physio- und sporttherapeutische Kompetenzen zur Verfügung stehen. Auch atemphysiotherapeutische Inhalte können am besten in einer Reha vermittelt werden.

Die medizinische Rehabilitation in Deutschland ist in das gegliederte System der sozialen Sicherung mit seinen unterschiedlichen Zuständigkeiten und Trägerstrukturen eingebunden. In Übereinstimmung mit dem Sozialgesetzbuch IX formuliert das deutsche Renten- Kranken- und Unfallversicherungsrecht (mit Nachranggrundsatz auch die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe) einen Anspruch auf Rehabilitation bei Patienten, die trotz leitliniengerechter kurativer Therapie Krankheitsfolgen aufweisen. In einer Studie zur medizinischen Rehabilitation Erwerbstätiger in Deutschland erreicht die pneumologische Rehabilitation unter den häufigsten Indikationen in Bezug auf die Prä-Post-Veränderungen die höchste Effektgröße. Rehabilitation in der Lungenheilkunde wird überwiegend stationär durchgeführt. Die Effektivität der stationären Rehabilitation bei COPD konnte in Bezug auf die körperliche Leistungsfähigkeit, die Lebensqualität und das Gesundheitsverhalten direkt nach der Reha und auch noch bis zu 12 Monate später wissenschaftlich gesichert werden.
Wohnortnahe, ambulante ganztägige Rehabilitation in der Lungenheilkunde gibt es bisher in Deutschland nur an wenigen Orten. Diese wird in der Regel über 15 Tage (3 Wochen mit Pause am Samstag und Sonntag) durchgeführt. Eine wissenschaftliche Untersuchung konnte auch hier signifikante Verbesserungen in Bezug auf die körperlichen Leistungsfähigkeit (gemessen im ‚6-Minuten-Gehtest’), der krankheitsübergreifenden, gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gemessen mit dem Fragebogen ‚Short-Form Health Survey / SF-36’) und der Atemnot bei Belastungen nachweisen.
Sowohl die stationäre als auch die ambulante Rehabilitation sind zeitlich begrenzte Maßnahmen. Wenn auch die Erfolge unbestritten sind, so ist die Frage nach der Nachhaltigkeit, die nicht nur in Deutschland, sondern auch international diskutiert wird, bisher unbeantwortet.

Lungensport

In Deutschland besteht durch den Rehabilitationssport die Möglichkeit, die körperliche Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Teilnehmer/innen am Lungensport zeigten auch neun Monate nach Beendigung einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme eine gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit sowie eine verminderte Atemnot bei Alltagsaktivitäten. Rehabilitationsteilnehmer dagegen, die kein weiteres Training betrieben hatten, waren in ihrer Leistung wieder eingeschränkt und klagten verstärkt über Atemnot.
Lungensport ist aber nicht nur in der Rehabilitationsnachsorge sinnvoll, sondern kann auch ohne vorangehende Rehabilitation eingesetzt werden. Organisation, Methoden und Ergebnisse werden bei diesem Symposium gesondert behandelt.

Häusliche Trainingstherapie in Eigenverantwortung

COPD-Patienten, die keine Möglichkeit haben, nach einer Rehabilitationsmaßnahme am Lungensport teilzunehmen, können eigenverantwortlich durch ein regelmäßiges Gehtraining die positiven Effekte der Reha aufrechterhalten, wie eine Untersuchung aus unserer Arbeitsgruppe gezeigt hat. Das Üben einer täglichen zusätzlichen Gehstrecke, die aus dem Ergebnis des ‚6-Minuten-Gehtests’ errechnet wird (Testergebnis x 3 x 125%), ist ausreichend, um die Leistungsfähigkeit und auch die Lebensqualität zu erhalten.


Dr. Karin Taube, Atemreha Hamburg, (4. Symposium Lunge in Hattingen/NRW).


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