Sauerstoff – notwendig zum Leben

Sauerstoff steht am Anfang des Lebens – mit dem ersten Atemzug beginnt die Abhängigkeit des lebendigen Individuums von einer ständigen Zufuhr an Nahrung und Sauerstoff, der notwendig ist, um die Verbrennung in allen Zellen des Körpers aufrecht zu erhalten.

Während es unstrittig ist, dass der Mensch ohne Sauerstoff nicht leben kann, ist es dennoch für viele Patienten mit Erkrankungen der Atemwege und der Lunge schwierig zu akzeptieren, dass sie Sauerstoff als Therapie nicht nur zeitweise, sondern ständig benötigen und folglich auch ständig anwenden sollen. Die Langzeit Sauerstofftherapie, dass heißt die Gabe von Sauerstoff über mindestens 16 Stunden am Tag (Therapieziel sollte 24 Stunden sein) ist seit Jahren etabliert und zahlreiche Studien belegen den Nutzen.

Sauerstoff wird aus der Umgebungsluft durch die Atmung in die Lungen transportiert, in das Blut aufgenommen und vom Herzen über die Blutgefäße an die Organe gepumpt. Dort findet dann die Verbrennung von Kohlenhydraten oder Fetten (oder Eiweiß) statt. Wenn zu wenig Sauerstoff vorhanden ist, muss das Herz schneller arbeiten, um den wenigen Sauerstoff schneller zu transportieren und es entsteht in der Lunge ein erhöhter Gefäßwiderstand, gegen den das Herz anpumpen muss. Man kann sich gut vorstellen, dass das Herz irgendwann versagt, wenn es ständig diese zusätzliche Last bewältigen muss. Der Patient merkt dies daran, dass die Beine dicker werden, dass sich Wasser in den Füßen ansammelt.

Therapeutischer Nutzen von Sauerstoff

Mit Hilfe von Sauerstoff kann das Herz wirksam entlastet werden und wieder effektiver arbeiten. So ist schon lange, nämlich seit Anfang der 80ger Jahre, aus Studien bekannt, dass die Gabe von Sauerstoff über wenigstens 15 Stunden täglich (die Fachgesellschaften empfehlen 16 Stunden) das Überleben von Patienten mit COPD verlängern kann. Mit Sauerstoff lässt sich Training wirksamer durchführen, das rechte Herz wird entlastet und so die Lebensdauer verlängert. Neuere Studien aus Großbritannien, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden, zeigen dass bereits 2 Stunden Sauerstoffmangel eine Entzündungsreaktion und erhöhte Thromboseneigung bei Patienten mit COPD auslösen. Diesen Effekt kennen wir bei Flugreisen, bei denen die Passagiere einer höheren Gefahr der Embolie und Thrombose ausgesetzt sind. In der Höhe ist die Luft bekanntlich dünner und der Sauerstoffgehalt niedriger.

Die lebensverlängernde Wirkung von Sauerstoff ist ein Beweis für die Wirksamkeit einer Therapie, den nicht viele Medikamente so ohne weiteres erbringen können. Trotzdem wenden viele Patienten Sauerstoff nicht täglich, nicht mindestens 16 Stunden am Tag oder nicht außerhalb der eigenen vier Wände an.

Therapietreue

Nach Angaben aus der Literatur schwankt die Therapietreue von Patienten mit COPD zwischen 45 bis 70%. Dies bedeutet umgekehrt, dass 30 bis 55% der Patienten den Sauerstoff nicht ausreichend einsetzen und somit nicht den gewünschten therapeutischen Effekt erzielen.

Es liegt natürlich nicht nur an den Patienten, dass Sauerstoff nicht optimal genutzt wird, sondern auch an den Ärzten, die Sauerstoff z.B. nur nachts oder nur einige Stunden am Tag oder ohne vorherigen Test, ob die Sauerstofftherapie auch den gewünschten Effekt hat, verordnen. Die Fachgesellschaften haben dies erkannt und führen Informationsveranstaltungen durch und schulen Ärzte, die nicht auf Erkrankungen der Atmungsorgane spezialisiert sind, um alle auf denselben Informationsstand zu bringen.

Doch zurück zu den Patienten

Nach Untersuchungen aus Italien aus dem Jahr 2005 führten 26% der Patienten die mobile Sauerstofftherapie nicht durch, weil das Gerät zu schwer zu tragen war, 11% fanden Sauerstoff nicht hilfreich, 20 % fanden die Behandlung unpraktisch, aber der größte Anteil nämlich 37% schämte sich mit Sauerstoff in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Es ist in dieser Situation noch anzumerken, dass nur etwa die Hälfte der Patienten angab, den positiven Effekt der Sauerstoffgabe unmittelbar zu spüren. Was man nicht spürt - tut man auch nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass der Patient über den Nutzen informiert ist, eben weil man es nicht immer spürt, wenn das Herz belastet ist.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch die verordnete Flussrate eine Rolle spielt, da die Schleimhäute durch hohe Flussraten in Mitleidenschaft gezogen werden und austrocknen können. Ein weiterer Faktor war das Rauchen, wobei es klar sein sollte, dass Rauchen und die gleichzeitige Anwendung von Sauerstoff gefährlich ist und zu schweren Verbrennungen führen kann. Wenn ein Raucher also den Sauerstoff nicht immer nutzt, kann das zur Sicherheit seiner Umgebung beitragen – kein gutes Beispiel!

Unbegründete Sorge vieler Patienten

Eine Sorge vieler Patienten ist die Gewöhnung an Sauerstoff bzw. die Abhängigkeit, verbunden mit der Angst, ohne Sauerstoff nicht mehr zurechtzukommen. Tatsächlich ist der Mensch von Geburt an abhängig von Sauerstoff und jeder, der schon mal versucht hat, ohne Sauerstoff zu tauchen, wird bestätigen, wie schnell die Luft knapp werden kann. In der Regel ist es richtig, dass ein Patient der Sauerstoff braucht, diesen dauerhaft braucht, außer er bekommt eine neue Lunge (Transplantation) oder sein Zustand kann durch ein neues Verfahren wie die Lungenvolumenreduktion oder eine AV Fistel (ROX-device) verbessert werden. Man sollte aber die Sauerstofftherapie als Chance sehen mit der Krankheit wieder besser zurechtzukommen.

Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den Patienten, die Sauerstoff anwenden sollen, die eine Rolle für die Therapietreue spielen. In den USA fanden es Männer zum Beispiel schwieriger als Frauen, die Sauerstofftherapie zu akzeptieren und in der Öffentlichkeit mit einem Sauerstoffsystem zu erscheinen. In den USA sind daher Sauerstoffsonden, die unter dem Hemd in die Luftröhre direkt eingepflanzt werden, beliebter als in Deutschland, wo sie nur wenig zum Einsatz kommen. In Deutschland sind hingegen Systeme in Gebrauch, die die Sonde im Brillengestell verstecken.

Häufige Beschwerden beziehen sich auf die eingeschränkte Unabhängigkeit durch die notwendige Mitnahme von Sauerstoffsystemen. In den letzten Jahren sind deshalb mobile Systeme für den Urlaub und das Flugzeug entwickelt worden und die unterdessen zahlreichen kleinen, handlichen, mobilen Geräte können sich durchaus sehen lassen.

Manche Patienten befürchteten auch, dass ihnen der Sauerstoff irgendwann nicht mehr helfe, wenn sie ihn zu oft anwenden. Tatsächlich kann man die Verschlechterung der Erkrankung nicht durch Weglassen der Therapie hinauszögern – im Gegenteil, wenn man die Therapie besser durchführt, kann man länger verhindern, dass es schlechter wird.

Fazit

Die Langzeit-Sauerstofftherapie ist eine wirksame Therapie ohne wesentliche Nebenwirkungen, die häufig nicht ausreichend genutzt wird. Die Schwierigkeiten, die mit einer Langzeit-Sauerstofftherapie verbunden sind, können gemeistert werden, wenn der Arzt alle modernen Möglichkeiten der Gerätetechnik kennt und der Patient gut aufgeklärt und motiviert ist, die Behandlung durchzuführen. Selbsthilfegruppen spielen eine wesentliche Rolle für die Information und das Miteinander von Betroffenen, um dem Leben die Freude abzugewinnen, die auch jeder schwerkranke Patient erleben kann. Mit Freude am Leben lässt sich die Motivation für die Langzeit-Sauerstofftherapie steigern. Mit dem notwendigen Selbstbewusstsein, die mobilen Geräte auch in der Öffentlichkeit zu nutzen, kann der Aktionsradius vergrößert und die Teilhabe am Leben verbessert werden.


Prof. Dr. Susanne Lang, Chefärztin Medizinische Klinik II am SRH Wald-Kinikum Gera, (4. Symposium Lunge in Hattingen/NRW).


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