Langzeit-Sauerstofftherapie und nicht-invasive Beatmung bei COPD und Lungenemphysem
Bei der akuten Verschlechterung der COPD (sogenannte akute Exazerbation der COPD) als auch beim chronischen Fortschreiten einer COPD und eines Lungenemphysems können die Veränderungen im Bronchialsystem, den Lungenbläschen und dem gesamten Atmungssystems ("Atempumpe") ein derartiges Ausmaß annehmen, dass hieraus eine Gasaustauschstörung mit Sauerstofferniedrigung im Blut (PaO2-Erniedrigung) oder sogar eine Ventilationsstörung (sog. Atempumpenstörung) mit zusätzlicher Erhöhung des Kohlendioxiddruckes im Blut (PaCO2-Erhöhung) resultieren kann. Die Therapie der Gasaustauschstörung ist die Sauerstofftherapie; man nennt die Sauerstofftherapie im chronischen Bereich auch Langzeit-Sauerstofftherapie. Die Therapie der Ventilations- bzw. Atempumpenstörung ist die Positiv-Druckbeatmung, die im chronischen Bereich und außerhalb des Krankenhauses möglichst nicht-invasiv, d. h. ohne Beatmungstubus mit einer Atemmaske erfolgen soll. Nachfolgend soll die Durchführung der Langzeit-Sauerstofftherapie und der nicht-invasiven Beatmung im chronischen, also in der Regel häuslichen Bereich, mit ihren Anwendungsmöglichkeiten dargestellt werden.
Langzeit-Sauerstofftherapie
Schwere chronische Lungenerkrankungen wie die COPD mit oder ohne Lungenemphysem können zu einem dauerhaft erniedrigten Sauerstoffgehalt des Blutes führen. Die Sauerstoffunterversorgung schränkt als Folge die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten ein, die über Luftnot bei geringster Belastung oder sogar in Ruhe sowie allgemeine Schwäche und schnelle Erschöpfbarkeit klagen. Durch den erniedrigten Sauerstoffgehalt des Blutes kommt es im Lungenkreislauf (sogenannter kleiner Kreislauf) zu einer Erhöhung des Lungenblutdrucks, der wiederum zu einer vermehrten Belastung der rechten Herzkammer führt. Diese wird auf Dauer überlastet und zunehmend schwächer, es entsteht eine Rechtsherzinsuffizienz. Sie ist z B. an Ödemen (Gewebswasseransammlungen) im gesamten Körper, vor allem im Bereich der Fußknöchel zu erkennen. Zusätzlich kann der Sauerstoffmangel ähnlich wie bei einem Höhenaufenthalt zu einer Vermehrung der roten Blutkörperchen führen, was zunächst grundsätzlich positiv wäre. Ab einer gewissen Menge von roten Blutkörperchen verändern sich aber die Fließeigenschaften des Blutes so sehr, dass dieses einen zusätzlichen Krankheitswert bekommt. Die künstliche Erhöhung der Sauerstoffkonzentration durch die Langzeit-Sauerstofftherapie kann diese Entwicklungen im Körper verhindern oder zumindest aufhalten und damit die Lebensqualität und die Prognose des COPD-Patienten verbessern.
Unter der Langzeit-Sauerstofftherapie (engl.: long term oxygen therapy, Abkürzung: LTOT) versteht man die dauerhafte Gabe von Sauerstoff über mindestens 16 Stunden, Therapieziel sollte die 24-stündige Sauerstoffgabe sein.
Eine LTOT wird bei allen Krankheiten angewandt, die einen Sauerstoffmangel haben. Dieses sind vor allem chronische Lungen- und Herzerkrankungen aber auch Störungen der Atmung im Schlaf. Zur Messung der Sauerstoffversorgung des Körpers wird eine Bestimmung der Sauerstoffwerte im Blut vorgenommen. Diese Bestimmungsmethode heißt Blutgasanalyse. Bevor eine LTOT eingesetzt wird, müssen die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung ausgeschöpft worden sein. Auch muss sich der Patient in einer stabilen Phase seiner Erkrankung befinden. Daher sollte die Entscheidung zu einer LTOT möglichst in Zusammenarbeit mit dem niedergelassenen Pneumologen erfolgen, da während einer akuten Exazerbation der Erkrankung hierüber manchmal noch keine endgültige Aussage gemacht werden kann. Mit der Blutgasanalyse wird u. a. der sogenannte arterielle Sauerstoff-Partialdruck (PaO2) gemessen.
Eine sichere Begründung für eine LTOT liegt dann vor, wenn der PaO2 bei mehrfacher Messung unter einem Wert von 55 mm Hg liegt. Wenn aber schon ein erhöhter Lungen-Blutdruck oder eine krankhafte Vermehrung der roten Blutkörperchen vorhanden ist, wird eine LTOT auch schon unter einem Wert von 60 mm Hg verordnet. Ob bei einem Betroffenen auch eine Sauerstoffgabe unter Belastung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Patient einen krankhaften Abfall des PaO2-Wertes unter Belastung aufweist (Abfall um mehr als 5 mm Hg in den auffälligen Sauerstoffbereich) oder aber sich die 6-Minuten-Gehstrecke unter Sauerstoffanwendung erheblich verbessert. Die Sauerstoffgabe unter Belastung muss dann bei der Geräteauswahl berücksichtigt werden. Schließlich werden auch die Sauerstoffwerte im Schlaf bei der Festlegung einer Sauerstofftherapie berücksichtigt, wobei dann auch eine nächtliche Messung der Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte, eventuell sogar eine Schlaflaboruntersuchung erforderlich ist. In jedem Fall muss in den verschiedenen Situationen (Ruhezustand, Belastung, Schlaf) eine Sauerstoff-Testatmung durchgeführt werden, anhand derer dann die individuell jeweils erforderliche Sauerstoffdosis, die sogenannte Sauerstoff-Flussrate, festgelegt werden kann.
Es gibt verschiedene Geräte zur Durchführung einer LTOT zu Hause. Das einfachste Gerät ist der Sauerstoffkonzentrator. Dieser produziert selbstständig Sauerstoff aus der Raumluft. Da ein Sauerstoffkonzentrator schwer ist, kann er nur die Sauerstoffversorgung in Ruhe gewährleisten. Patienten, die ihre Wohnung verlassen können, benötigen daher mobile Systeme. Hier stehen kleinere transportable Druckgasflaschen zur Ergänzung der Therapie mit dem Sauerstoffkonzentrator zur Verfügung. Diese Sauerstoffflaschen werden aber nur noch gelegentlich verordnet. Die bessere Alternative zu der Kombination aus Sauerstoffkonzentrator und Druckgasflasche ist ein Flüssigsauerstoffsystem. Dieses besteht aus einem größeren Tank, in dem sich abgekühlter (-183 oC) und somit flüssiger Sauerstoff befindet, und einer mobilen tragbaren Flasche, die an dem großen Tank beliebig häufig aufgeladen werden kann. Der Sauerstofftank muss ca. alle zwei Wochen gefüllt oder gewechselt werden. Welches System sich für den betreffenden Patienten am besten eignet, muss individuell entschieden werden.
Neben den eigentlichen Sauerstoffgeräten ist die Art der Übertragung des Sauerstoffs zum Patienten noch von Wichtigkeit. Hierbei stellt die Nasensonde- oder -brille die Standardversorgung dar. Auch stehen Mund-Nasen-Masken zur Verfügung, wenn der Betroffene eine stark behinderte Nasenatmung hat und/oder ausgeprägter Mundatmer ist. Kosmetisch günstiger können auch Sauerstoffzuleitungen sein, die in ein Brillengestell integriert sind. In einzelnen Fällen kommt auch die „transtracheale Sauerstoffgabe“ über einen kleinen Dauerkatheter, der in die Luftröhre eingebracht wird, in Frage.
Sauerstoff ist ein Medikament. Deswegen muss Sauerstoff auch individuell vom Arzt verordnet und dosiert werden. Mögliche Nebenwirkungen sind zwar bei korrekter Anwendung gering, können aber auftreten. Es kann so z.B. bei höheren Sauerstoff-Flussraten zu einer Austrocknung der Nasenschleimhäute kommen. Dieser Nebenwirkung kann durch Anwendung eines Atemluftbefeuchters und zusätzliche Pflege der Schleimhäute mit Nasensalben entgegengewirkt werden. Der Atemluftbefeuchter wiederum birgt bei fehlender Hygiene die Gefahr einer Besiedlung mit Bakterien und Pilzen, die eine Infektionsquelle für die Atemwege des Patienten darstellen können. Wird die Sauerstoff-Flussrate zu hoch gewählt, kann es zu einer Hemmung der Atmung des Betroffenen mit Erhöhung des Kohlendioxid-Wertes im Blut und hieraus folgender narkoseähnlicher Wirkung kommen. Deswegen muss die vom Arzt festgelegte Sauerstoffmenge auch stets wie bei einem Medikament eingehalten werden. Schließlich muss bedacht werden, dass Sauerstoff Feuer jeglicher Art erheblich anfachen kann. Deswegen kann die Benutzung von offenem Feuer oder Brand in der Nähe von Sauerstoff nicht nur lebensgefährlich für den Betroffenen sondern auch seine Umgebung sein.
Die vielfach vom Patienten angenommene Sorge, man könne sich zu früh vom Sauerstoff abhängig machen und müsse daher die Sauerstofftherapie möglichst selten anwenden, ist allerdings unbegründet und sogar falsch. Bestehen die Voraussetzungen für eine Sauerstofftherapie, so kann sie gar nicht häufig genug in der richtigen Dosierung angewandt werden.
Nicht-invasive Beatmung
Das wissenschaftliche, klinische und technologische Interesse an der Pathophysiologie von Atmungsstörungen und der Durchführung verschiedener Beatmungsverfahren hat in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Entwicklung erfahren. Hierzu hat insbesondere die zunehmend breite Anwendung nicht-invasiver Beatmungstechniken, d.h. Beatmungsverfahren ohne tracheale Intubation (s. o.), beigetragen. Zur Zeit der Poliomyelitis-Epidemie in den 1950er-Jahren standen zur nicht-invasiven Ventilation (engl.:non-invasive ventilation, Abkürzung: NIV) im wesentlichen nur Negativ-Druck-Beatmungsverfahren zur Verfügung (Eiserne Lunge). Durch die zur Behandlung des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms Anfang der 1980er-Jahre benutzte nasale Überdruck(be)atmung waren dann zunehmend verschiedenste Nasen- und Gesichtsmasken verfügbar, die auch für die NIV benutzt werden konnten. Dieses führte dann in den 1990er-Jahren zu ersten Anwendungen im Rahmen größerer Untersuchungsserien an Patienten mit respiratorischer Insuffizienz, also einer Ventilations- bzw. Atempumpenstörung unterschiedlicher Ursache. Durch die Entwicklung einer Fülle von Beatmungsgeräten, die auch außerhalb von Intensivstationen und sogar außerhalb des Krankenhauses betrieben werden können, hat die Zahl derjenigen Patienten mit beatmungspflichtiger Atmungsschwäche, die im außerklinischen Bereich im Sinne der häuslichen Beatmung beatmet werden, in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit stetig zugenommen.
Bei Vorliegen einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz profitieren von der NIV im Hinblick auf Lebensqualitäts- und Prognoseverbesserung vor allem Patienten mit Atmungsstörungen, die nicht durch eine Lungen- oder Bronchialerkrankung bedingt sind. Eine differenziertere Betrachtungsweise ist bei der Anwendung zur NIV im Hinblick auf die stabile COPD erforderlich: Während nämlich die NIV bei akuter mit PaCO2-Erhöhung und Übersäuerung des Blutes einhergehenden Exazerbation der COPD auf jeder Intensivstation vor einer invasiven Beatmung angewendet werden sollte, ist ein Überlebensvorteil der hiermit behandelten COPD-Patienten im chronischen Bereich bisher nicht sicher bewiesen. Dieses hängt allerdings sehr stark von der Art der Beatmung, insbesondere von den verwendeten Beatmungsdrücken ab. Je höher die verwendeten Beatmungsdrücke sind bzw. je höher die Differenz zwischen Einatmungs- und Ausatmungsbeatmungsdruck ist desto besser wird in der Regel auch der erhöhte PaCO2-Wert beeinflusst. Wissenschaftliche Studien haben bei COPD-Patienten in jedem Fall positive Beatmungseffekte auf Blutgaswerte, Atemfrequenz, Lungenfunktion und Überblähung, 6-Minuten-Gehstrecke, Luftnotempfinden und Lebensqualität gezeigt. Auch wurde die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten reduziert. Dagegen ergaben sich bisher keine eindeutig positiven Effekte im Hinblick auf die Beeinflussung der Schlafqualität sowie der Sterblichkeit der mit NIV behandelten COPD-Patienten. Positive Ergebnisse werden aber von einer bundesweiten Beatmungsstudie zur häuslichen Beatmung bei COPD-Patienten erwartet, die mit höheren und effektiveren Beatmungsdrücken als in den bisherigen internationalen Studien beatmet wurden.
Derzeitig sollen vor allem COPD-Patienten eine häusliche NIV-Beatmung erhalten, die Symptome der schweren Atmungsstörung mit Einschränkung der Lebensqualität zeigen und zusätzlich eine chronische Erhöhung des PaCO2 am Tage von ≥ 50 mm Hg oder in der Nacht von > 55 mm Hg aufweisen. In Frage kommen auch Patienten mit nur leichtgradiger PaCO2 -Erhöhung am Tage (PaCO2 46 - 50 mm Hg), aber übermäßigem Anstieg des CO2-Wertes im Schlaf. Auch sollten COPD-Patienten mit mindestens zwei schweren akuten Exazerbationen innerhalb eines Jahres, die mit einer CO2-Erhöhung einhergegangen sind sowie solche direkt nach beatmungspflichtiger akut exazerbierter COPD je nach klinischer Einschätzung auf eine NIV eingestellt werden. Schließlich stellen auch Patienten mit schweren nächtlichen Sauerstoffabfällen (SaO2 < 85 % > 5 Min.), die mit LTOT nicht ausreichend behandelbar sind, durchaus eine Gruppe dar, bei der die Wirkung der NIV-Therapie überprüft werden sollte.
Die Anpassung auf eine häusliche Beatmung erfolgt in der Regel unter stationären Bedingungen. Es wird versucht durch intervallmäßiges, aber zunehmend ausgedehntes Anwenden der Masken-Beatmung, den Patienten an die Beatmung zu gewöhnen. Die Anpassung dauert in der Regel mehrere Tage und beginnt zunächst tagsüber, um dann aber hauptsächlich im Schlaf benutzt zu werden. Vor der Entlassung muss das Beatmungsgerät mit Zubehör verordnet und von der jeweiligen Krankenkasse genehmigt werden. Auch muss entschieden werden, ob der Patient zu Hause pflegerische Hilfe nötig hat oder sogar dauerhaft in einer spezialisierten Pflegeeinrichtung untergebracht werden muss. Regelmäßige Kontrollen der Beatmungstherapie, aber auch des Beatmungsgerätes sind im jeweiligen Beatmungszentrum sowie durch den technischen Dienst der Beatmungsgeräte-Hersteller erforderlich.
Prof. Dr. Kurt Rasche HELIOS Klinikum Wuppertal - Klinikum der Universität Witten/Herdecke (5. Symposium Lunge in Hattingen/NRW).
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